Bischof Stecher Gedächtnisverein

Hirtenbrief zur Adventopfersammlung "Bruder in Not"

15. November 1993

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn der leise Advent über das Land zieht, schlägt auch wieder die Stunde für „Bruder in Not“.

Vielleicht wundern sich manche, dass dem Bischof bei Bettelhirtenbriefen nie der Atem ausgeht - aber das hat einen ganz einfachen Grund: die Not in der Welt geht auch nie aus. Und sie hat tausend Gesichter, die mich ansehen, wenn ich nur durch die vielen Projekte blättere, die dieses Mal vorgestellt werden.

Eines hat es mir besonders angetan und darum möchte ich bei diesem verweilen. Es ist die Bitte des Tiroler Missionsbischofs Bonifaz Madersbacher um eine Trinkwasserversorgung für viele arme Dörfer in Bolivien.

Ich komme mir nämlich jedesmal wie ein Verschwender vor, wenn ich von einer Reise heim nach Innsbruck komme und den Wasserhahn aufdrehe. Er spendet kristallklares Quellwasser in praktisch unbeschränkter Menge. Und genaugenommen geht es wohl fast allen Tirolern so, und dabei bedenken wir gar nicht, dass wir damit auf dieser Erde Privilegierte sind. Zu einem Wasserhahn wie dem in meinem Badezimmer würden viele Menschen der Dritten Welt mit Krügen und Eimern kilometerweit laufen, um das kostbare Nass zu holen.

Wir können ihnen mit unserer Hilfe das lebensentscheidende Wasser verschaffen, das für uns eine Selbstverständlichkeit und für sie ein Wunder ist. Und wir haben die Möglichkeit, die Bakterienbrühe, die sie trinken müssen, in sauberes Wasser zu verwandeln. Eigentlich ist es doch etwas Schönes, wenn man für ein paar hundert oder tausend Menschen so einen Segen erschließen kann. Es ist ja im Rahmen von „Bruder in Not“ nicht zum ersten Mal. Im Sahel und anderswo rinnen viele Brunnen, die mit einer Gabe vom 3. Adventsonntag in Tirol erschlossen wurden.

Jesus hat als Sohn eines nicht gerade wasserreichen Landes um diese Kostbarkeit gewusst.·Und darum hat er gesagt: „Wer dem anderen auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, wird nicht um seinen Lohn kommen ...“ (Mk 9,41).

Es geht bei den Bruder-in-Not-Projekten natürlich nicht nur um Wasser, sondern auch um viele andere Dinge. Aber ich bin dieses Mal beim Wasser geblieben. Es ist eine so wunderbare Gabe Gottes. Und ich knüpfe noch eine Hoffnung daran. Vorgelesene Predigten vergisst man leicht, das wird auch bei meinen so sein. Aber vielleicht taucht in diesem Fall doch die Erinnerung an die Wasserspende im fernen Land auf, wenn wir zu Hause den Hahn aufdrehen und wie gewohnt unser gutes Tiroler Wasser in Gläser, Becken oder Badewannen laufen lassen - in verschwenderischer Fülle! Vielleicht fällt uns ein, dass der fließende Quell ein heimlicher Appell an unsere Großzügigkeit ist und ein Symbol für die von Ewigkeit zu Ewigkeit strömende Güte Gottes.

Mit allen guten Segenswünschen für einen gnadenreichen Advent

 

lnnsbruck,28.11.1993

Advent 1993

Euer Reinhold Stecher

Bischof von Innsbruck

 

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